22.12.1930: … schade, daß Ihr Euch hier nicht mehr an die Gurgeln gehen könnt. (Rudu)

Späte Weihnachtspost von Rudu. Leni ist inzwischen in Malchow in der Landfrauenschule. Ist wohl nicht so prickelnd, rein gesellschaftlich betrachtet.


R., den 22. XII. [1930]

Meine liebe Leni,

vorerst einmal vielen Dank für Deinen lieben Brief, in Leipzig kam ich natürlich nicht dazu ihn zu beantworten. Mir will aus Deinen Zeilen so scheinen als ob Du es nicht gerade so glänzend da angetroffen, ich hoffte, daß es gesellschaftlich etwas bedeutender sein würde, aber ein Haus mit so viel Pensionären ist dafür ja nicht gerade so geeignet.  Im übrigen wirst Du recht viel sehen und erleben können!

Seit vorgestern bin ich wieder hier in R., hier geht alles seinen alten Gang. Leben in die Bude kommt natürlich durch Albrecht, schade, daß Ihr Euch hier nicht mehr an die Gurgeln gehen könnt. Ich fragte ihn, ob er Dir nicht zu Weihnachten schreiben wolle, er meinte, zu Neujahr sei früh genug.

Nach Weihnachten werde ich mit 3-4 Freunden nach N. gehen, das Wetter scheint dafür gut zu werden. Gestern war ich mit Klaus bummeln, wir trafen uns bei Hübner, wo Gert S. auf Andreas wartete. Gerd war wie immer ziemlich langweilig. Hinterher war ich mit Klaus auf dem Dom und dann in der Halali Bar. Wir endeten in der Libelle, wo ein recht ödes Programm uns vorgeführt wurde, trotz Sascha, der auch eigentlich nicht mein Schwarm ist.

In Leipzig war ich ziemlich fleißig, trotzdem fand ich Zeit, ein sehr nettes Mädchen aus Hamburg kennenzulernen, ein Frl. R. Wir gehen manchmal in schicke Tanztees. Tanzen tue ich jetzt überhaupt für mein Leben gern.

Liebe Leni, Dir ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen ist wohl Ironie, doch hoffe ich, daß Du die Tage auch so recht fröhlich verlebst!

Einen herzlichen, lieben Buppen gibt Dir Dein

Rudolf

Mit ihrem jüngsten Bruder Albrecht scheint Leni weniger herzlich umzugehen als mit Rudu. Dessen Fleiß wiederum scheint sich eher in Unternehmungen auszuwirken. „Schicke Tanztees!“