27.09.1938: über die Wolle (Ingrid)

Ingrid ist noch immer in Deutschland und nutzt die Gelegenheit, um sich neu einzukleiden.


den 27. Sept. [von Leni ergänzt: 38 N.]

Liebe Leni,

Schnell ein paar Worte über die Wolle. Mama will sie Dir geben, und erhält bei nächster Gelegenheit von drüben welche durch irgendjemand, dem ich sie mitgeben kann.

Also bring sie schnell zu Niemann, mein Pullover (der Grüne) liegt dort noch. Dann mußt Du nochmal sagen, daß sie den Pull für Dich so und so abändern und mir den grünen so schnell wie möglich mit der Rechnung ans Kontor senden. Die Adresse haben sie. Das anfertigen kostet dauert nämlich 3 Wochen, aber sie meinten, den Pullover schon eher entbehren zu können.

Schick!

Schick!

Du denkst sicher noch oft an N., das wirklich bei diesem Sonnenwetter noch sommerlich und herrlich ist. Das Wild hat sich leider ganz verzogen, man hört kaum noch einen Hirsch schreien. Wir radeln und rudern und ich probiere all die neuen sehr gut gelungenen Kleider an, Du wirst sie ja noch sehen, ich trage schon das grüne mit den durchgezogenen Steppnähten und das hellbalue mit dem Einsatz und Schnüren vorn. Auch hat Frl. D. mir alte Kleider fabelhaft geändert. Sie ist ein Daus, alles sitzt prima. Nun bleibt sie wahrscheinlich noch die ganze Woche für Mama, die ihre Novembertage vorwegnimmt.

Anna + Carlh. N. sind reizend.

Habt Ihr Hitlers Rede gestern abend gehört? Schrecklich ist die Spannung bis zum 1. Okt. Gut, daß man nicht immer daran denkt.

Grüsse Friedrich + Tirili, schade, das ihr nicht noch diese Tage hier seid. Und Tiri? Hoffentlich kommt es nun bald!

Sehr herzlich

Deine Ingrid.

Albrecht telefonierte gleich nach der Operation, die am Montag früh gemacht worden ist. Es ist gut verlaufen.


Wurde Albrecht selbst operiert? Ich finde nichts darüber. Auch kann ich wieder einmal ein Wort nicht lesen, helft Ihr mir? Bei Ingrid muss man ja immer auch damit rechnen, dass sie sich verschrieben hat. Ihr Kommentar zu Hitlers Rede ließ mich etwas ratlos zurück, denn man weiß ja nicht so recht, ob sie positiv oder negativ dazu eingestellt ist. Inzwischen bin ich mir sicher, dass Lenis Position deutlich dagegen war, das beruhigt mich sehr und so denke ich, dass man auch Ingrid eher einen entsetzten als einen begeisterten Unterton zuordnen darf.

Dies ist der letzte Brief aus der Vorkriegszeit. Während des Krieges gab es keinerlei Briefwechsel. Mittlerweile ist noch ein zweiter Ordner mit Briefen auf meinem Schreibtisch gelandet, die ich nun zwischen die bereits abgetippten ab 1945 ordnen muss. Es kann also sein, dass die Chronologie in Zukunft etwas leiden wird.

Edit: Harmen hatte die Freundlichkeit, mit mitzuteilen, dass Daus das Wort ist, das ich nicht finden konnte. Teufelskerl! Famos!