11.05.1946: Euer Schicksal ist uns nicht bekannt. (Rudu)

Ein Jahr nach Kriegsende erhält Leni das erste Lebenszeichen ihres Bruders in Guatemala. Da er die Staatsbürgerschaft von Guatemala angenommen hatte, ist er der Internierung entgangen. Nichtsdestotrotz wurde die Finca enteignet und so fehlte es auch Rudus Familie an Einkommen. Achim in Mexiko ging es ähnlich – und auch zwischen den Brüdern war jahrelang kein Kontakt möglich.


Guatemala Capital, 11.5.46

Liebe gute Leni – ein kurzer Gruß der Euch sagen soll, daß es uns gut geht und daß wir mit unseren Gedanken täglich und stündlich bei Euch sind. Spärliche Nachrichten erreichten uns über die Schweiz, es fehlen jedoch noch Einzelheiten, ehe wir uns ein ungefähres Bild Eurer so traurigen Erlebnisse machen können. Könnten wir Euch doch nur erst helfen! Nichts hörten wir von Albrecht’s Familie, auch Euer Schicksal ist uns nicht bekannt. Wenn Dir möglich, schick mir bitte die Adresse von Ulle! Seit meiner Krankheit im vorigen Jahre bin ich froh wieder körperlich, d.h. als Gärtner und Tischler tätig sein zu können, vorher hatte ich mich vor allem damit befaßt englische Lektüre zu verschlingen. Im nächsten Monat hoffe ich endlich Achim besuchen zu können, den ich seit 41 nicht mehr gesehen habe. Ob und wann ich wohl meinen Geburtsort wiedersehe? Unsere Adresse: Gtla City, […] – Grüß alle, vor allem Friedrich und sei umarmt in Liebe von Rudu und Ingeborg.

Innige Geburtstagswünsche!

Rudu


Beachtet wissen möchte ich aber die Tatsache, dass der Brief eventuell pünktlich zu Lenis Geburtstag am 21.6. eintraf. Das war in früheren Jahren ja meistens nicht der Fall.