08.07.1936: Mein geliebter Puck! (Leni)

Die Ironbuchblogger erinnern mich daran, dass ich diese Woche noch nichts geschrieben habe. Das entspricht den Tatsachen, denn es war auch hier Weihnachten. Außerdem war der Sohn krank. Dieser Brief ist all denjenigen Optimisten gewidmet, die bei Regenwetter mit offenem Verdeck fahren – von denen es zu dieser Jahreszeit nicht allzu viele geben dürfte. Wieder ein besonders schöner Brief, der viel über Lenis Charakter verrät.


N., den 8. Juli 36

Mein geliebter Puck!

Mein Gewissen ist ausserordentlich schlecht, mein Lieb, dass ich jetzt erst schreibe, doch hat es garnichts zu sagen, es mangelte nur sehr an der Zeit. Unserer Fahrt hierher verlief gut, bis auf einige Regenschauer, die uns leicht durchnässten, da ich so wenig Lust hatte, geschlossen zu fahren, aber eine dicke schwarze Wolke verfolgte uns mit konstanter Bosheit, alle 5 Minuten hielten wir wieder unter einem anderen Baum und warteten, bis wir schliesslich so im Wagen schwammen, dass wir ihn doch zu machen mussten. Es tat mir so leid, dass wir uns so wenig nett verabschieden konnten, aber wenn andere Menschen dabei sind, fällt es ja oft so aus wie man nicht möchte. Ich machte mir schon Gedanken, dass ich Dich ins Vegetarische bestellt hatte, noch dazu, wo wir sozusagen mit dem Essen fertig waren, und ich nicht wusste, dass Du auch noch Essen wolltest. Aber bald, mein Lieb, brauchen wir uns ja nicht mehr zu verabschieden und dann haben diese Augenblicke ein Ende.
Sonntag habe ich nun endlich einen sehr langen Brief an Hertha abgeschickt, wodurch ich nicht mehr dazu kam, Dir zu schreiben, oder vielmehr auch keine rechte Lust hatte, und wollte es am Montag tun. Zu meinem grössten Ärger sassen wir jedoch den ganzen Tag und mussten Bohnen pahlen, ich war auf Tourenzahl, aber diese Erzeugnisse aus dem Garten können ja nicht liegen bleiben und so geht es nun dauernd weiter. Ich verpasste also den Postschluss und wollte nun gestern ganz bestimmt schreiben. Doch da wir den ganzen Tag in Rostock zubrachten, glückte auch dies nicht, selbst dort war keine Zeit, da ich nicht allein war, und hier angekommen war der Zug wieder über die Berge. Das war der schnelle Verlauf der Tage. Nicht mal zum baden war Zeit, und dabei ist es so wundervoll warm.
Eben sind nun Vera S. und Kurt N. mit ihrem neuen Wagen hier angekommen, solange sie ihre Sachen auspacken, kann ich Dir noch ein wenig erzählen. Sie haben einen sehr schönen neu hellgrauen Ford, den grossen, können aber nur langsam fahren, da er erst 1000 km. hat.
Meine Aufgabe wird es nun sein, das junge Paar in der Gegend umherzuführen, lieber wäre mir ja, wir könnten alles per Rad abmachen. Mein Puck, wenn Ihr Sonnabend kommt, sind sie vielleicht ja noch hier, unter Umständen kann das sehr nett werden, dann kennen sie es schon, und ich brauche mich nicht dauernd um sie zu kümmern, sodass wir unserer Zeit auch für uns haben. Haben Maria [nicht die Schwester] und Albrecht schon was von sich hören lassen? Kommt Ihr zusammen? Wenn Ihr das Gepäck dann noch verstauen könnt, wäre es ja sehr nett. Aber bitte komm nicht so spät, Du kannst Dich ja dann auch noch hier hinlegen oder in der Sonne ausruhen. Warst Du letzten Sonntag mit O’s fort? Spielst Du viel Tennis? Und wie ist es im Geschäft? Bewährt sich Deine Maschine? Oder hast Du sie wieder mitgenommen. Was macht die Grossrechnung? Und der Export, den Du unter Dir hast? Sonnabend musst Du mir über alles berichten.
Puck, ich muss jetzt schliessen, sei nicht bös, aber wir sehen uns ja bald, und holen dann nach, wir wollen jetzt in den Wald, um etwas Wild zu sehen. Es liebt Dich besonders, auch wenn Du nur selten und wenig von mir hörst, Deine
Lini.

Ich freu mich so auf Sonnabend!