„Brandbücher“ von Birgit Ebbert

"Brandbücher" von Birgit Ebbert

„Brandbücher“ von Birgit Ebbert

Ganz frisch erschienen ist dieser Kriminalroman von Birgit Ebbert. Seit langem verfolge ich ihr Blog www.buecherverbrennung.de, auf dem sie uns an ihren Recherchen teilhaben ließ. Nun ist also der Krimi fertig und wurde von mir umgehend verschlungen.
Bücherverbrennung im Dritten Reich ist ein Thema, von dem wir alle schon gehört haben, aber über das die wenigsten richtig gut Bescheid wissen. Nach der Lektüre dieses Buches ist das anders, denn hier wird Fiktion geschickt mit der Realität vermischt.
Beim Sichten des Nachlasses ihrer Großtante stößt Karina auf alte Postkarten, die diese geschrieben hat. Jedes Kapitel setzt sich zusammen aus zwei bis fünf zusammenhängenden Postkarten, gefolgt von einem Abschnitt über die Jetzt-Zeit mit Karinas Nachforschungen über die Vergangenheit ihrer Großtante. Darauf folgt ein Abschnitt über die Anfänge des Dritten Reichs, der das tatsächlich Erlebte von Karinas Großtante darstellt.
Trotz oder wegen dieses Hin-und-her-Springens liest sich das Buch sehr flüssig, denn man möchte jeden Erzählstrang so schnell wie möglich weiterverfolgen. Die Angst des jüdischen Studenten Samuel wird deutlich spürbar, als sich sein Umfeld gegen ihn wendet. Karina stößt bei ihren Nachforschungen auf die Nachkommen von Samuels Verfolgern, die darüber wenig erbaut sind. Obwohl auch sie bedroht wird, ist ihre Angst weniger greifbar. Das könnte daran liegen, dass sie einen Verbündeten hat, insgesamt finde ich die Bezeichnung „Kriminalroman“ aber etwas hoch gegriffen. Für mich ist es ein spannender Roman, der wegen seines brisanten Inhalts fesselt, nicht wegen der akuten Bedrohung.

Die Handlung spielt in einem kleinen Ort im Münsterland, in dem die älteren Bewohner gern Plattdeutsch sprechen. Die Autorin hat die plattdeutschen Repliken bewusst kurz gehalten, aber ich frage mich trotzdem, ob sie einen nicht-Platt-affinen Leser nicht zu sehr aus dem Lesefluss werfen. Andererseits tragen sie sehr schön zum kleinstädtischen Bild bei und sorgen für Authentizität. Ich habe also keine überzeugende Lösung für das Problem* und bitte daher die besagten Plattdeutsch-fernen Leser um eine Stellungnahme.
Echte Zitate und Personen wurden in die Fiktion eingewoben, wobei die Zitate mit einem Asterisk gekennzeichnet sind. Leider erfährt man erst im Nachwort, was es damit auf sich hat. Ich hatte schon verzweifelt den Anhang gesucht.

Insgesamt bietet der Roman eine fesselnde Lektüre, bei der man ganz nebenbei viel Geschichtliches lernt. Das Buch eignet sich meines Erachtens sehr gut für den Unterricht an Schulen, ist aber selbstverständlich für Erwachsene ebenso lesenswert. Ich bin gespannt, welches Thema Birgit Ebbert uns als nächstes präsentiert!

Witzigerweise ist entspricht Birgit Ebberts Buch vom Aufbau her ungefähr genau dem, was ich auf lange Sicht mit meinen echten Briefen vorhabe. Ich bin sehr froh, dass sich die Idee als absolut praktikabel entpuppt!

Am Schluss noch eine Frage in eigener Sache:
Die Protagonistin Karina findet, dass die Sütterlin-Schreibschrift leichter zu lesen ist als die gedruckte Frakturschrift. Mir geht es da ganz anders. Was sagt Ihr dazu?

 

* Wer will schon mit Fußnoten arbeiten?

4 Kommentare
  1. Katja sagte:

    Ich habe die „Brandbücher“ vor einigen Tagen ganz zufällig in der Buchhandlung entdeckt, gleich mitgenommen und in kürzester Zeit verschlungen. Liest sich gut und ist ein interessantes Thema. Besonders gefallen haben mir die Berichte auf den Postkarten, denn die einfache Sprache passt gut zur Schreiberin der Karten und bringt sehr überzeugend das Erstaunen und Unverständnis über die menschlichen und politischen Entwicklungen und barbarischen Handlungen herüber – ein Unverständnis, das eigentlich so natürlich und menschlich ist.

    Zu deinen Fragen:
    Das Platt stört mich nicht, aber ich komme ja selbst aus dem Norden (wenn auch nicht aus dem Münsterland). Ich könnte mir aber vorstellen, dass auch Leser aus ferneren Regionen sich die Bedeutung über die Ähnlichkeit der Laute erschließen können. Wenn unsereins mal was mit kurzen schwäbischen Einsprengseln oder so liest, klappt das ja auch.

    Dass eine studierte junge Frau keine Frakturschrift lesen kann, fand ich auch überraschend. Ich habe schon als Jugendliche ganze Bücher in Fraktur gelesen. Ich vermute allerdings, diese „Schwäche“ dient eher taktischen Zielen der Autorin, um die Entschlüsselung der gefundenen Dokumente noch etwas hinauszuzögern, bis jemand da ist, der sie problemlos lesen kann.

    • Gesa sagte:

      Liebe Katja,
      danke für Deine Einschätzung. Das mit der Frakturschrift ist bei mir eben ganz genauso, als ich lesen konnte, habe ich auch die alten Märchenbücher in Fraktur gelesen. Ich kenne aber auch Leute, die damit große Probleme haben – allerdings können die dann auch keine deutsche Schreibschrift und haben schon Schwierigkeiten, „normal“ geschriebene Briefe zu entziffern.

  2. Katja sagte:

    Deutsche Schreibschrift kann ich allerdings nicht wirklich lesen. Lehrbuchmäßig gedruckt mag es gerade noch mit größeren Anstrengungen gehen, aber vor Rudus Machwerken würde ich kapitulieren. Da habe ich übrigens größte Bewunderung für dich!

    • Gesa sagte:

      Ich habe mehrere Handschriftenkurse mit mittelalterlichen Manuskripten hinter mich gebracht. Das hilft – auch wenn es natürlich ganz andere Schriften waren.

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