„Rehragout“: Interview mit Lisa Graf-Riemann

Was habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Letztes Jahr erschien „Hirschgulasch“ von Lisa Graf-Riemann und Ottmar Neuburger – der wahrscheinlich spannendste Krimi, den ich je gelesen habe. Selten habe ich so mitgefiebert! Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ich das Erscheinen des Nachfolgebandes kaum erwarten konnte. Endlich war er da, ich habe ihn gelesen … und die Euphorie blieb aus. Darüber war ich selbst ein bisschen verwundert, denn das Buch ist keineswegs schlecht.

Im Gegenteil! Es ist großartig geschrieben, man taucht in die Welt der Protagonisten ein und hat das Gefühl, hautnah dabei zu sein. Die Geschichte ist bis ins Detail durchdacht, eins fügt sich zum nächsten und doch ist das Ende nicht gewiss.

Aber irgendetwas störte mich. Ich dachte ein paar Tage drüber nach, formulierte anschließend, was mir aufgefallen war und schickte das Ganze an die eine Hälfte vom Autorenpaar, nämlich an Lisa Graf-Riemann.

Die dachte wiederum selbst ein paar Tage nach und stand mir anschließend tapfer Rede und Antwort.

„Rehragout“ ist die reine Fortsetzung von „Hirschgulasch“. Ohne Hirschgulasch funktioniert Rehragout nicht, es ist quasi Ragout auf Gulaschbasis. Dagegen ist ja nichts einzuwenden, ich hätte das Buch trotzdem gelesen. Auf der U4 heißt es ja auch, dass die Gaunerkomödie in die zweite Runde geht, aber ich war trotzdem enttäuscht, dass es keinen richtigen neuen Fall gab. Wie seht Ihr das?

Rehragout ist eine Fortsetzung, ja, ganz eindeutig. Hauptperson ist hier nicht eine Ermittlerin (Leni), die eben am selben Ort, im selben Amt, einen neuen Fall auf den Schreibtisch bekommt. Protagonisten sind die drei ukrainischen Ganoven, die mit dem Geld aus Berchtesgaden nicht so richtig glücklich werden und irgendwann Nachschub brauchen und zurückkommen, um ihn sich zu holen. Aus ganz verschiedenen Gründen: Wiktor, der nur Sicherheit für sich und seinen Sohn will, wird übers Ohr gehauen. Marjana verliert im Luxusleben den Anschluss, wenn nichts mehr nachkommt. Und Luba hat so riesige Pläne, dass nur eine riesige Menge Geld dafür reichen kann.
Unser Interesse war es zu verfolgen, wie es dem Trio mit dem Geld nun geht, wenn sie wieder zu Hause sind, was sie damit anstellen und ob es ihnen Glück bringt.

Wurde das Hirschgulasch in „Hirschgulasch“ nur einmal erwähnt (glaube ich), wird jetzt ja doch sehr auf dem Rehragout rumgeritten. Man kann das durchaus als Running-Gag verstehen, aber ich finde es doch etwas konstruiert, wie nachträglich eingebaut. Stand der Titel von vornherein fest?

Nein, der Titel stand nicht fest, in beiden Fällen nicht. Wir wollten das in beiden Bänden einigermaßen dezent einbauen, kann sein, dass sich das zum Running Gag entwickelt hat.

Und: das Cover! Sollte mir die spiegelverkehrte Verwendung vom Hirschhasen einen Hinweis auf den Inhalt geben („Hirschgulasch“, nur ein bisschen anders)? Und wo bleibt da das Reh?

Im „Hirschgulasch“ gab es auch keinen Hirsch zu sehen, sondern einen böse dreinschauenden Wolpertinger.* Das war ein Entwurf der Grafikabteilung. Für das „Rehragout“ hatten wir Bilder von hölzernen Schützenscheiben (z. T. historisch) eingereicht, u. a. mit Rehen drauf. Wobei dann der Gedanke des Schießens und Tötens des Tieres nicht zu verdrängen gewesen wäre. Es geht im Roman aber nicht um die Jagd von Tieren oder Ähnlichem.
Die Entscheidung des Verlags fiel deshalb in punkto Cover so, weil „Hirschgulasch“ ein Emons-Bestseller war. Man wollte unbedingt diesen Wiedererkennungseffekt haben – dasselbe gilt für den Titel. Man hoffte, dass die Leser das Coverbild wiedererkennen und auch das „Rehragout“ lesen, wenn ihnen das „Hirschgulasch“ gefallen hat. Und ich glaube, dieses Kalkül geht auf.

Wiedererkennungseffekt vorhanden.

Wiedererkennungseffekt vorhanden.

Und zuallerletzt: Es werden ja immer wieder aktuelle politische Geschehnisse verbaut. Aber wenn mich nicht alles täuscht, sind die jünger als 2011. Der Bilderfund zum Beispiel. In ein paar Jahren ist das egal, aber jetzt?

Da hast du Recht – aber es hat so gut gepasst, dass wir uns diese dichterische Freiheit erlaubt haben. Vgl. auch Monuments Men und die aufgelassenen Stollen in Altaussee.

Wie stehst Du selber zu dem Buch?

Wie meinst du das? Möchtest du hören, ob ich es gut finde, besser, schlechter als Hirschgulasch? Ich weiß, wie lange ich / wir dran gearbeitet haben und ich habe auf jeden Fall mein Bestes gegeben. Wir haben unsere Figuren ein Stück begleitet und ihnen über die Schulter geschaut und uns erzählen lassen, was sie so gemacht haben, nachdem sie das Abenteuer in Berchtesgaden überstanden hatten und nach Kiew zurückkamen. Wie verzweifelt Jurij war, als er begreifen musste, dass Wladimir tot war, wie gern er es geleugnet hätte. Wie viel Angst Wiktor hatte, zu Jurij zu gehen. Wie sich Marjana in dem Maybach gefühlt hat und wie sich Luba mit ihren Mitarbeitern das Wolfs-Video angesehen hat aus Tschernobyl. Wir fanden es schön, wieder ein stück mit ihnen zu gehen und zu sehen, was ihnen so alles einfällt. Nicht zu vergessen Leni auf ihrer Alm und mit den Kollegen in Berchtesgaden und im festsitzenden Aufzug mit Wiktor. Ihre Erinnerungen an den verhinderten Rallyefahrer Max und dessen Erinnerungen an die Wilderei im Haus seiner Tante.
Das sind alles Miniaturen, Einzelepisoden, die mein / unser Herz berühren. Alles kann nicht beim Leser/bei der Leserin ankommen, das ist klar. Dann wären wir Genies. Ein bisschen vielleicht – und die Ahnung, dass da noch alles Mögliche drinsteckt.
Natürlich steh ich zu meinem Buch. Alles andere wäre Verrat an meinen Figuren und an meiner Geschichte.

Wenn das kein wunderbares Abschlusswort ist! Danke an Lisa für die ehrliche Beantwortung meiner Fragen – und ich muss sagen, diese Antworten haben jeden Zweifel am Inhalt des Buches in Nichts aufgelöst. Also: Hirschgulasch und Rehragout kaufen und beide lesen. Unbedingt. Jetzt. Und die anderen Krimis von Lisa Graf-Riemann gleich mit.

Ich hätte sie ja im Regal fotografiert, aber Ticki Tack wollte unbedingt mit aufs Bild

Ich hätte sie ja im Regal fotografiert, aber Ticki Tack wollte unbedingt mit aufs Bild

* ein Wolpertinger ist ein Mischwesen, das aus verschiedenen Tieren besteht, oft mit einem gehörnten Hasenkopf

2 Kommentare
  1. Hans Karl Zeisel sagte:

    Liebe Frau Füßle,
    wußte gar nicht, dass Ticki Tack auch als Buchstützer verwendet werden kann!
    Beste Grüße von Hans Karl Zeisel

    P.S.: Düften wir das Foto auch in Facebook verwenden?

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