20.12.1935: Mein Lieb! (Leni)

Wir springen zurück ins Jahr 1935 – Leni ist in Friedrich verliebt. Übers Wochenende ist sie mit Mama aufs Gut gefahren – selbst gefahren, wohlbemerkt. Auf unserem Besuch dort vor Kurzem wurde uns erzählt, dass die Straße erst seit ein paar Jahren befestigt ist.


N., den 20.XII.35

Mein Lieb!

Eigentlich habe ich zum Schreiben gar keine Zeit, denn der Tag ist mit Weihnachtsarbeiten voll ausgefüllt, deshalb wird es nur kurz, aber ein desto herzlicher Gruß zum Sonnabendnachmittag. Wie Du ihn wohl genießt, vor allem durch die Vorfreude auf die folgenden Festtage mein Puck, ich wünsche Dir so sehr, daß Du Dich dann etwas erholen und ausspannen kannst.

Unsere Fahrt gestern war furchtbar und ich werde so etwas niemals wieder machen. Ich konnte Mama und den Wagen zwar unversehrt abliefern, nachdem ich gute 6 Stunden auf der völlig vereisten Strasse in höchstens 30 km Tempo dauernd umherschlidderte. Geduld und rasende Vorsicht hat es möglich gemacht, daß wir hier unbeschadet ankamen. Denk Dir, es war spiegelblankes Eis, nur in den Städten und Dörfern nicht und nur sehr selten auf einigen Anhöhen gestreut. Wenn es am Sonntag nicht anders ist, kommen wir per Bahn.

Eben höre ich, daß keine Postgelegenheit mehr in den nächsten Ort ist, alle Leute sind eher als sonst fortgegangen, dabei ist es erst 4 Uhr.

Hier draußen ist es wunderhübsch, es hat den ganzen Tag geschneit und dann die schöne Luft.

Mein Lieb, am Montag müssen wir uns sehen, ich habe Dir noch garnicht von unserem Mann aus Japan erzählt, der bei Alice wohnt.

Es liebt Dich und gibt Dir einen innigen Kuß

Deine Leni.


Mann aus Japan? Darüber weiß ich gar nichts. Zwar wohnte einer von Friedrichs Brüdern in Japan, der kann aber kaum gemeint sein!