06.01.1947: Die ganze Scheidung dauerte kaum eine Woche. (Friedrich)
Ein Brief von Friedrich, Lenis Mann, an seinen Schwager Rudolf, der in Guatemala wohnt – und folglich wenig Vorstellung hat, was das Nachkriegsleben kostet. So erfahren wir interessante Details. Der Brief ist handschriftlich, ich habe den Durchschlag, der auf herausgerissenen Heftseiten steht. Die Qualität ist sehr schlecht, daher fehlen mir ab und zu Wörter.
R. den 6.1.47. [handschriftlich Leni: bestätigt mit Brief vom 6.5.47]
Lieber Rudolf!
Dein Brief vom 17.12.46 kommt heute an. Ich möchte ihn gleich beantworten, denn verschieben ist nie gut. Hab zunächst einmal den herzlichsten Dank! Wir waren sehr traurig zu lesen, in welchen Schwierigkeiten Ihr Euch befindet. Geld haben wir genug, um zu kaufen, was es zu kaufen gibt, nicht genug, um die Menge zu kaufen, die es offiziell nicht zu kaufen gibt. Als Beispiele: 1 Pfund Kaffee RM 600.-, 1 Pfund Kuchen RM 85.-, 1 Pfund Mehl Rm 30.-, 1 Zigarette RM 5.- etc. Sollten es Deine Finanzen und die Post erlauben, wären wir Dir sehr dankbar, wenn Du gelegentlich etwas Kaffee direkt schicken würdest. Neuerdings sind auch für uns zwei beträchtliche Ereignisse eingetreten. 1) ist der Winter sehr schwer. Wir leben jetzt schon die zweite Kältewelle mit ca. 15° Kälte. Brennmaterial bekommen wir 2 Ztr. quietschnasses Holz im Monat. Das reicht für 2 Tage. Den Rest zu verschaffen, ist unserer „Initiative“ oder unserem Geldbeutel überlassen.
2) Durch die Bürgerschaftswahl vom Okt. 46 wurde Dr. Bucerius II als Bausenator durch einen SPD-Senat ersetzt. Ich möchte als seine rechte Hand ebenfalls zurücktreten. Ich habe diesen Schritt rechtzeitig freiwillig getan. Anschließend war ich mehrere Wochen verreist. U. a. besuchte ich auch Albrechts erste Frau in Murnau. Sie wohnt mit ihrer Schwester im Hause ihres Vaters, der im Ausland ist. Albrechts Sohn fand ich in bester Verfassung vor. Auch besuchte ich Mali, die einen Kunstgewerbeladen in Murnau betreibt. Sie hat vor, bald in die Schweiz zu fahren.
Du fragst nach Albrechts Schwager. [Als] wir in N. lebten und Albrecht in B.hat er uns manche Schwierigkeiten gemacht. Insbesondere war in der Zeit vielfach nicht angenehm, in der Albrechts erste Frau das Fortshaus von N. erbaute. Insgesamt waren das viele Monate. Sie hatte eine recht großzügige Art zu wirtschaften und saß ständig vor dem Rest. Albrecht hat ihr das Leben oft nicht leicht gemacht. Als Albrecht im Frühjahr 1946 Nina v. B. kennenlernte, ließ er sich ohne viel Vorbereitung von heute auf morgen scheiden. Die ganze Scheidung dauerte kaum eine Woche. Kaum 1 ½ Monate später wurde Nina geheiratet, die die Richtige zu sein scheint. Sie ist 22 Jahre alt, niedlich und weiß, was sie will. Beide wohnen am M’weg in Hbg. Wir sehen uns ganz oft und kommen gut miteinander aus.
Von Achim hörte ich nichts. Hertha schrieb auch vor Wochen daß Achim einen Brief begonnen habe. Die Angelegenheit N. ist von großer Wichtigkeit, weil bei Verzögerung ein Kahlschlag zu befürchten ist. Die Russen unterstützen uns mit Holz. [D.h. es gibt Holzlieferungen aus dem Osten, denen der Wald um N. leicht zum Opfer fallen könnte.]
Ob Neger Albrechts Schwiegereltern abgeraten hat, die Ehe zu billigen, weiß ich nicht mit Sicherheit. Es ist jedoch möglich, da sich Neger nicht sehr begeistert äußerte. Albrecht und Neger sehen sich selten. Die Freundschaft scheint nicht sehr eng zu sein.
Du fragst nach meinem Flügel. Nachdem dieser etwa 1 Jahr beschlagnahmt war, konnte ich ihn mir wieder verschaffen. Hier im Haus kann ich ihn bis jetzt noch stellen. Bei Einweisung weiterer Flüchtlinge weiß ich nicht wohin damit. Zum Spielen ist es zur Zeit zu kalt. Als Leni mich im Oktober 45 in N. besuchte, wohnten wir eine Nacht bei den alten Sch. in Güstrow. Sie hatten eine andere gute Wohnung. Auch war er als Anwalt wieder zugelassen. Es ging ihnen damals nicht schlecht. Seitdem habe ich nichts mehr gehört.
Über meine beruflichen Pläne schreibe ich nächstens. Es ist jetzt derart kalt und die Verkehrsmittel derart schlecht und unzuverlässig, daß ich in R. bleibe. Abgesehen davon daß die Züge reihenweise ausfallen, [unleserlich]
Eben hörte ich eine Rede des Hbg. Bürgermeisters Max Brauer, in der die ganze Hoffnungslosigkeit zum Ausdruck kam.
Wir denken viel an Dich und die Deinen, lieber Rudolf, und hoffen nur, daß Ihr und wir bald das Schlimmste überstanden haben. Einstweilen geht es noch abwärts. Hab auch vielen Dank für Deine Mühe, uns ein Paket durch Klaus zukommen zu lassen.
Herzlichst Dein Friedrich.
Grüß Ingrid von mir sehr herzlich.
Und nun wissen wir auch, wie es mit dem Flügel weiterging. :)