08.01.1935: … mit Dir und Maria auf keinem guten Fuß … (Rudu)

Hoppla, Weihnachten verpasst. Rudu ist wieder „drüben“ und es gibt einiges zu berichten: bevorstehende Geburten und Scheidungen, eventuelle Europareisen und irgendwelche Intrigen wegen Richard.


La V., 8.I.35

Meine liebe Leni!

Du Gute bist schlecht behandelt. Aber noch immer sind wir nicht recht zur Ruhe gekommen. In B. gleich krank, über U. sehr spät, nach Weihnachten, erst hier in V. Alles besehen, Besuche von Nachbarn, Ingrid noch immer ein bischen empfindlich durch das Kleine in Punkto Gesundheit – jedenfalls eine große Unruhe noch, sodaß Schreiben schwierig fiel. Aber ehe die Reise nun morgen nach U. zurückgeht, muß ich Dir noch vor Morgen danken für Deinen langen Brief. Es hat mir so unendlich leid getan, das Unglück von Friedrich und damit auch Deinen Kummer zu hören. Mutter hatte es schon nach B. geschrieben. Die näheren Umstände erfuhr ich aber erst durch Dich und mir ist, als machten die Einzelheiten das ganze doppelt schmerzlich.

Inzwischen wird sich sicher in irgendeiner Weise für Friedrich etwas gefunden haben, jedenfalls glaube ich das annehmen zu können. Im übrigen kann ich nur wünschen, Dir die Daumen drücken, denn irgendwelche Ratschläge von hier aus sind sehr schwer. Friedrich wird bestimmt seinen Weg schon machen, für Dich wird einzig schwer sein der Ablauf der Zeit. Doch kann man da nicht auf irgendeinen glücklichen Umstand hoffen, der Euch hilft? –

An die Eltern schreibst Du über Maria + Werner. Zum Teil wußten wir Bescheid, einzig neu ist, daß Werner sich mit der Schwester seiner ersten Frau zu verheiraten gedenkt. So sagt man hier jedenfalls. Sie soll Geld haben, die Gelder wird er dann verwalten. Achi Durch dies Gerücht wird einem alles verständlicher, sollte es der Wahrheit entsprechen. Denn er wird sich sagen: ehe Maria erbt bin ich ein alter Mann, ich erlebe nichts mehr davon. –

Hier ist alles wohlauf. Rugi ist ganz reizend, besonders Ingrid hat ihn an ihr Herz geschlossen, sie spielt den ganzen Tag mit ihm. Ingrid hat leider ziemlich abgenommen und muß sich daher etwas ruhig halten. Sie mag hier zum Glück im Lande gern sein.

Mit Hertha wirklich auf einen herzlichen Fuß zu kommen fällt ihr schwer*. Hertha tut sehr mütterlich, ist so auf sich selbst konzentriert, daß sie sich auf einen anderen nur schwer einstellt. Sie redet selbst so viel, daß sie nicht oft die Zeit findet, noch anderen zuzuhören. Ingrid, schon von Natur andere Menschen im allgemeinen fernhaltend und dazu neigend, sich abzuschließen, tut in einem solchen Falle erst recht den Mund nicht auf. Hertha ist der Mittelpunkt und das ist auch gut so, aber sie will es auch sein und das gibt Spannungen. Schon wie Hertha Mama hier immer zur „Oma“ macht, zur guten alten ist nur drollig. – Alles das ist so unter der Decke, wir verstehen uns alle sonst sehr gut. Ingrid geht nur sehr ungern wieder fort, denn in La U. erwartet uns einstweilen noch ein ziemliches Durcheinander. Dithmar wird für einige Zeit noch nach Guatemala gehen und in U. + B. wohnen. Von unserem Häuschen bekommst Du Beschreibungen und Bilder sowie es soweit ist. –

Hertha + Achim überlegen sich sehr ihre ihnen von Papa freigestellte Europareise. Mit 2 Kindern, in Murnau kleine Verhältnisse + kein Platz – in N. an Papa etc. angebunden, mit Dir + Maria auf keinem guten Fuß, sodaß sie eigentlich ziemlich allein sich fühlen werden. Denn Mama + Papa sehen sie hier, Eltern P. sind nur verschnupft, wenn H. + Achim nicht dauernd bei ihnen sind. Erholungsbedürftig fühlen sie sich auch nicht – also ein Problem ob oder ob nicht. Die Vertretung hier hapert auch, da Guole heiratet und außerdem auch Greiser gehen will, wenn Guole Oberaufsicht erhält. –

Gespannt bin ich darauf, was Du über Maria + die Zeit der Geburt, Scheidung etc. schreibst. Hoffentlich war die Zeit für Dich nicht so unerfreulich.

Dein Brief kam übrigens spät in meine Hände, weil wir hier erst Ende Dezember einrückten. Er war am 17. Dez. in Huehuetan.

Wie es wohl Albrecht in R. nachher geht. Er wird ja verwöhnt werden. Und wie Ihr wohl Weihnachten feiertet!? Die Nachrichten aus R. sind gut, ich freue mich mit Ing. auf die Post in U.

Leb‘ wohl für heute. Ingrid wird schreiben sowie sie erstmal Wurzeln geschlagen hat. Sie läßt Dich sehr herzlich grüßen, vor allem bubbt Dich aber

Dein Rudu

Grüß Friedrich vielmals. In Angelegenheit Richard herrscht noch Dunkelheit. In Guatemala wird stark mit Intrigen gearbeitet, u. a. wird versucht, daß ihm der Staat Guatemala die Einreise verweigert. Hoffentlich wird noch alles gut. Und Richard + Renate?

*und braucht Zeit.


Von Hertha, Rudus und Lenis Schwägerin, habe ich übrigens nie viel Gutes gehört. War wohl eine leicht unentspannte Person. Ihre Eltern scheinen ebenfalls nicht die gechilltesten gewesen zu sein (Stichwort „verschnupft“). Rugi, der Sohn von Achim und Hertha, war später oft in Hamburg. Interessant finde ich die Formulierung, dass Ingrid ihn an ihr Herz geschlossen hat. Spricht für reichlich Umarmungen!

Was nun genau mit der ältesten Schwester Maria los ist (bevorstehende Geburt und Scheidung), mit Richard und vor allem mit meinem Großvater Friedrich, bleibt leider verborgen. Friedrich ist mit Leni anscheinend bereits verlobt.