03.06.1937: Druvappel (Rudu)

Ein maschinegeschriebener Brief von Rudu und eine Postkarte von Ingrid. Leni hat im Oktober 1936 geheiratet.


z.Zt. La V., den 3. Juni 1937.

Meine liebe Leni,
zu Deinen Geburtstag wandern viele liebe Gedanken und herzliche Wuensche zu Dir. Das neue Jahr wird fuer Dich sicher voll Seligkeit sein ueber den Zuwachs Deiner kleinen Familie, wir hoffen und wuenschen Euch das Beste. Von Deinem Heim haben wir so manches gute gehoert und ich glaube ich habe Dir schon geschrieben, wie ich mich auf den ersten Besuch bei Dir freue. Mama schrieb in diesen Tagen, dass Ihr eine kleine Reise unternommen habt ins Rheinland, um einen Onkel von Friedrich zu besuchen und Ihr anschliessend dann fuer einige Tage in N. landen wolltet. Hoffentlich hast Du alles noch geniessen koennen, Mama wird ja sicher aufpassen, dass Du Dich richtig schonst. Freude bei uns allen loeste Deine Nachricht aus, dass Du das Rauchen sehr einschraenktest, uns allen schien das ein wesentlicher Punkt.
Wie Du sicher gehoert hast, haben wir seit einiger Zeit den Besuch von Herrn W. und Herrn und Frau von L. aus Holland. Die Zeit war aeusserst nett. In Guatemala haben wir erst das geschaeftliche erledigt, d.h. einen neuen Vertrag geschlossen, ermoeglicht dadurch, dass die Erbschaft fuer Guatemala erledigt ist. Nach B. fuhren wir durchs Hochland, fuer neu ins Land kommende ein grosser Genuss. Ingrid und Hertha blieben solange in San Rafael, leider durch die Kinder gebunden. Die sehr froehliche Stimmung litt etwas in B. und U., da unserer Gaeste – wie es ja eigentlich allen geht, die neu ins Land kommen – mit dem Magen zu tun bekamen und Dr. A. zur Behebung der allbekannten Erscheinungen zu Rate gezogen werden musste. In U. fehlte mir sehr Ingrid, die natuerlich auch die unentbehrliche Pancha in San Rafael behalten hatte, sodass niemand so recht mit Bettwaesche etc. Bescheid wusste. Ich habe mich so gut ich konnte aus der Affaere gezogen. Mit dem Flugzeug ging es dann nach Tapachula und hier in V. sind wir natuerlich glaenzend aufgehoben. Leider konnte ich Ingrid wieder nicht mitnehmen, einmal ist es mit Bea noch zu umständlich und zum anderen hat Hertha das Haus so voll, dass so kleine Puckis die Lage nur erschweren. Ungluecklicherweise ueberraschte uns gleich ein Temporal und es hat in der ganzen Zeit fast immer geregnet, die Sonne hat kaum geschienen. So haben unsere Gaeste jedenfalls waschechte Regenzeit erlebt.
Die Jungens hier sind reizend, besonders der Dicke erwirbt sich mit seiner drolligen, natuerlichen Art alle Herzen. Rugi hat Schule bei Frl. H. und ist einstweilen mit grosser Freude dabei – wahrscheinlich „solange es dauert“. Der Kleinste sieht fürs erste aeusserst putzig aus.
Wahrscheinlich hat Ingrid Dir auch geschrieben und Dir von San Rafael berichtet. Leider ist sie jetzt dort ganz allein und wird sich sicher sehr langweilen. Aber wir wollten gern zusammen nach U. zurueckkehren, in der Regenzeit ist solch Unternehmen ja nicht so leicht. Ich hab ja jetzt einen kleinen sehr netten Ford – denselben, den Achim hier hat – und mit ihm werden wir nun bald nach U. zurueckrueschen, nachdem wir seit dem 1. April nicht mehr dort waren. Bea hat sich natuerlich in San Rafael dementsprechende erholt und herausgemacht. Ihre Baeckchen sind rot und dich, so kleine Blutaederchen ziehen sich dadurch, kurz und gut: ein Druvappel. Gegen Fremde benimmt sie sich sehr abweisend, da sie auf der Finca selten andere Menschen gesehen hat, natuerlich auch nicht verwunderlich, immerhin scheint es eine Eigenart zu sein. Leider faengt sie an, etwas nachzudunkeln, einstweilen hat sie helle Loeckchen. Die Freude ueber sie ist unendlich gross.
Achim und Hertha werden Dich in Kuerze sehen und Dir sicher viel zu erzaehlen haben. Da Du in den kommenden Wochen sicher sehr ans Haus gefesselt sein wirst, kannst Du uns sicher mal schreiben und erzaehlen. Ich wuerde von Dir so gern mal wieder ueber Albrecht und Maria hoeren. An Albrecht schrieb ich einen laengeren Brief, vielleicht erzaehlt er Dir von dem Brief. Mama schrieb, dass er ein seelisches Erlebnis hatte, das ihn stark erschuetterte, sprach aber nicht naeher darueber. Was macht die gute Babs? hat sie sich noch nicht verlobt? und was machen Deine Schwaeger Niko und Henning? Ich haette so unendlich viele Fragen. Ich wuesste gern, mit wem Du so in Hamburg zusammen kommst, ab Ihr ganz viel Betrieb habt.
Du musst gemeinsame Bekannte vielmals gruessen, leider habe ich ja nicht so eifrig an manche geschrieben, wie es wohl sein muesste. In U. ist immer recht viel zu tun – mir graut davor, was ich jetzt alles nachzuholen habe – und wenn man abends fertig ist, widme ich mich Ingrid, die doch sonst niemanden hat und [ma]g dann nicht mich noch an den Schreibtisch setzen.
Nochmals alles Gute, mein Pucki, ich werd den Daumen fuer Dich druecken und mit vielen lieben Gedanken bei Dir sein. Gruess Deinen Gatten herzlich und empfiehl mich Deiner Schwiegermutter.

Es umarmt Dich und gibt Dir einen dicken Buppen
Dein
Rudu.

Recto:

Recto: „Un joven indio de Sololá“
Verso: „Gutatemala produce el mejor café del mundo.“

den 11.6.37.
Meine liebe Leni, Rudu schrieb Dir diesmal die längeren Zeilen, aber auch mein kurzer Gruß soll Dir viel innige Glückwünsche bringen und sie sagen, daß ich gerade an diesem Geburtstag mit vielen lieben Gedanken und großer Mitfreude auf das Kommende bei Euch sein werde. Rudu, Tante Mia und Günter kamen gestern mit dem avion aus Tap. Jürgens Arm muß geröngt werden, da er gefallen u einen Bluterguß hat u. Tante Mia muß ihren Papiere wegen eine Zeitlang Mexico verlassen. Bea ist wohlauf mit roten Backen, bald geht es nach U. zurück. Dir u. Friedrich viel Liebes von Deiner Ingrid.

Nun ist Leni also schwanger und die Verwandtschaft begrüßt es, dass sie das Rauchen eingeschränkt hat. Wusste man damals schon, wie ungesund Rauchen für das ungeborene Kind ist oder war es mehr ein Instinkt? Welches seelische Erlebnis Albrecht hatte, weiß ich nicht.