05.07.1937: … heute wird es besser (Leni)

Ein Brief, den man einfach wirken lassen muss. Ich halte mich ja selbst in vielen Dingen für recht entspannt, aber so …!


N., den 5.7.37

Mein lieber Rudu, meine liebe Ingrid!

Über Eure lieben Geburtstagsbriefe habe ich mich sehr gefreut und gebe Euch in Gedanken einen dicken lieben Dankesbubben. Besonders süss ist ja das kleine Bild von Bea, ich kann mir denken was für ein wonniger Druvappel sie ist und welche Freude Ihr an dem wonnigen Geschöpfchen habt. Ich muss immer lachen, gerade, wenn ich die Fotos von ihr sehe, weil sie so ungeheuer energisch auf ihren kleinen dicken Beinchen steht, mit dem Lockenkopf in die Gegend blinzelt u. alles in allem einen ungeheuer gesunden u. stabilen Eindruck macht. Sicher ist sie voll von drolligen kl. Einfällen. Wo wir in wenigen Tagen ja selbst vor dem Ereigniss stehen solchen kleinen Menschen in die Welt zu setzen, beschäftigt u. interessiert man sich ja ganz anders dafür als früher, wie man noch Mädchen u. Rudu Du noch Junggeselle warst. Ist es nicht so? Selbstredend fand man andere Kinder sehr niedlich u. hatte seine Freude an ihnen, aber wenn man selbst soweit ist, weiss man erst, was das Ganze heisst.
Ab 15. Juli soll unser Zuwachs das Licht der Welt erblicken, aber man weiss es ja nie genau, ebenso gut wie es heute oder morgen schon sein kann, kann es August werden, was ich nicht wünschen möchte, denn Warterei ist gewiss nicht schön. Wenn ich auch keinerlei Beschwerden während der ganzen Zeit gehabt habe, nach wie vor radel u. Auto fahre u. sonst alles tun kann, so sehnt man sich doch eine normale Figur wieder zu bekommen u. nettere Sachen anzuziehen und nicht alles absagen zu müssen. Das einzige, was sich neuerdings bei mir eingestellt hat, ist dass meine Arme dauernd eingeschlafen sind u. es so in ihnen u. den Händen kribbelt, andere Menschen haben das in den Beinen, lediglich eine Sache der Blutzirkulation. –
Die letzten Wochen waren recht angefüllt mit den Vorbereitungen für den kl. Menschen, was sich konnte, habe ich selbst gemacht u. somit Tageweise an der Maschine genäht, was besonderen Spass macht, ohne diesen Tretapparat wäre ich sehr unglücklich, denn auch meine Sachen habe ich darauf nach allen regeln der Kunst dort verändert u. neu gemacht. Als ich im 7. Mnat noch nichts hatte, waren alle Menschen entsetzt u. zuckten die Achseln, nun ist alles wundervoll mit Ruhe u. Gemütlichkeit fertig geworden. Jetzt kann es nur passieren, dass ich hier überrascht werde u. dann nichts habe, weder einen Arzt weiss, noch eine Klinik oder dergleichen, aber es ist hier so schön, dass ich immer wieder einige Tage zugebe u. mich nicht entschliessen kann in unsere Wohnung zu ziehen, so gern ich dort bin, abe rda wir so quasi nur unter Glasdach sitzen, ist es dort jetzt sehr heiss, Nahrungsmittel halten sich kaum von einem Tag zum anderen, und ist unser ganzer Wunsch ein Kühlschrank, doch ist das eine riesen Ausgabe u. haben wir es deshalb noch nicht gewagt. Friedrich wohnt solange in R. bei seiner Mutter u. wird dort verzogen, kann abends Tennis spielen u. baden. Ich könnte dort natürlich auch sein, aber einmal ist es wohl verständlich, dass es einen am meisten hierher zieht, weil es so unvergleichlich schön ist, u. wenn ich in R. bin, zeiht es mich doch immer in unserer Wohnung, um dort nach dem Rechten zu sehen, u. in der Stadt hat man dann dieses u. jenes vor, kommt zu nichts rechtem u. ist der Tag im Nu verbummelt. Unsere Woh- ist wirklich so gemütlich u. niedlich eingereichtet, in jeder Weise praktisch, aber man ist doch zu frei und unanbhängig in R. u. hier aufgewachsen, dass man im Sommer Garten u. die hiesige Ruhe u. Schönheit entbehrt, denn wenn wir bei uns auf dem Balkon sitzen, hören oder sehen wird doch immer auch unseren lieben Nächsten und merken unwillkürlich, was so bei den anderen Leuten vor sich geht, dass ist auf die Dauer doch sehr komisch u. etwas beengend.
Man kann dort nicht so im Bade oder Starndkostüm sitzen, wie ich es jetzt hier tue, alles in allem, man muss Rücksicht auf seinen Nachbarn nehmen, u. immer so sein, dass man jederzeit die Haustür öffnen kann, Besuch empfängt, oder was sonst so ist. 2-3 mal in der Woche habe ich morgends eine Frau, was auch vollkommen genügt, solange man sich gut fühlt. Nachher müssen wir ein Mädchen haben, die dann auf das Kleine aufpasst, wenn ich mal fortgehe, und dann ist die Wohnung fast schon wieder zu klein, denn bis dahin hat Mama und auch R.er, die in der Stadt etwas vor hatten, bei uns geschlafen. Gerade für Mama hat es mich so besonders gefreut, wenn sie bei uns sein konnte, da sie ja nichts weniger mag, als im Hotel allein zu sein, u. bei Alice passt es auch nihct immer, da sie darauf angewiesen ist, ihr Zimmer dauernd zu vermieten. In diesen Gegenden sind die Wohnungen recht teuer, jedenfalls die umgebauten Privathäuser u. deshalb hütet man sich zu gross anzufangen. Man muss sich auch sehr schnell entschliessen, weil sie im Nu vergriffen sind. Mit unseren Vermietern stehten wir auf glänzendem Fuss u. sowie eine Kleinigkeit zu machen ist, kümmern sie sich darum u. haben Verständniss für alle Anliegen. Alice ist auf Wohnungssuchen, weil sie bei ihrer guten Möller nie etas erreicht u. die Frau so masslos geizig u. unfreundlich ist. Das sind so kl. Etagensorgen, die ihr nicht kennt u. Euch wahrscheinlich auch sehr komisch vorkommen.
Gestern war Albrecht hier. Er areitet im Augenblick bei einem Bauern zwiswchen G. u. R., was er bedeutend mehr schätzt, als im Arbeitsdienst zu sein. Sie werden aber vom Arbeitsdienst aus zu diesen Leuten geschickt, um ihnen in der Ernte zu helfen, u. müssen nach Ablauf einiger Zeit wieder dorthin zurück. Deinen ausserordentlich lieben Brief an ihn habe ich gelesen und bin auch überzeugt, dass er Eindruck auf ihn gemacht hat, denn im Ganzen hat er sich in der letzten Zeit sehr gebessert, wozu die gute Mutter S. bestimmt auch beigetragen hat. Ich kann es Dir nicht so schieldern, wie er vor einigen Monaten und Wochen war, es ist zum Glück ja auch vorbei. Er tat einem ur leid, weil er es sich selbst alles so furchtbar erschwerte, es gab nichts, womit er zufrieden war, kein freundliches Wort kam aus seinem Mund, man war froh, wenn es [!] wieder fort war. Ferner war er gerade zu ungezogen u. nur versteimmt, wenn nicht alles so ging, wie er es sich dachte, dabei ist wohl auf keinen von uns soviel Rücksicht genommen, wie auch ihn u. Mama immer mit erneuter Liebe und Sorge um ihn herum, ihm alles recht nett zu machen. Den D.K.W. hat er nicht mehr, wir haben ihn für 3 Monate an Herrn B. vermietet. Das ist auch gut, weil Albrecht mit seinem Geld in solchen Rückstand kam, dauernd pumpen musste u. schliesslich seine Sachen verkaufte, nur um die unnötigen Benzinkosten zu bestreiten. Jetzt ist dafür G. dauernd unterwegs, ihn zu holen und zu bringen, was ja auch sehr nett ist, aber oft lohnt es sich für die wenigen Stunden nicht, die er dafür hier sein kann. Der Weg ist nie kurz, da immer ein Ende Landweg damit verbunden ist, aber Mama ist natürlich froh, wenn sie ihn hier haben kann u. umsorgen, hätte villeicht auch nicht den Mut, nein zu sagen, weil dann eben die gefürchtete Laune von ihm kommt. Das klingt wahrscheinlich etwas härter alles, als ich sagen will, aber manchmal ist es wirklich komisch u. fast traurig. Diese Touren sind nämlich alle unerlaubt, weil er nicht über eine gewisse Km Zahl sich entfernen darf u. wenn es heraus kommt, steht eine emfpindliche strafe für ihn darauf, aber bis jetzt ist es immer gut gegangen. Auf der anderen Seite freut man sich ja sehr, dass er seine Freizeit dafür benutzt, zu Haus zu sein, es hat eben alles sein für und wider.
Im Herbst muss er 2 Jahre zur dienen und kommt nach Parchim zu den Reitern, damit hat er ja das, was er sich wünschte und ist ihm das sehr zu gönnen. Hoffentlich muss er dort nicht dauernd Pferde Putzen und ist dann erneut verärgert. Vincent A. ist dort u. wenn ich ihn mal in R. sah, erzählte er äusserst zufrieden u. vergnügt von dort, dass sie ein herrliches Leben hätten u. er viel Spass an der Arbeit hätten. Erst glaubte Albrecht, dass er durch seine Füsse ganz vom dienen befreit würde, u. da das nicht so ist, finde ich es besonders nett, dass er die Abteilung durchmacht, die ihm am meisten liegt. Unter uns gesagt, geht er heute sogar mancmal mit dem Gedanken, um ganz dabei zu bleiben u. erkundigt sich nach allen Seiten, wieweit ein Abitur für die Ausbildung in nötig ist. Doch muss man das ja abwarten, er ändert seine Pläne in der Richtung gern u. viel und hat er wirklich Freude und Befriedigung daran, ist es ja keineswegs schlecht, wenn er dabei bleibt. ZUm Schluss möchte ich aber nochmal sagen, wie sehr er sich im ganzen in den letzten Wochen in seinem Wesen zum Vorteil verändert hat u. vor allem Mama gegenüber sehr nett ist u. auch anerkennt, was sie alles für ihn tut u. dankbaren u. freudigen Herzens von hier geht. Während früher das ganze Haus in voller Aufregung war, u. Mama nur erschöpft u. erschüttert in einen Stuhl sank.
Über Maria habe ich im Grunde wenig Lust zu schreiben, denn erquicklich war es noch nie, doch liegt im Moment nichts wesentliches vor, worüber man erneut erschüttert ist, aber wir sehen uns auch nicht, gehen einander sogar aus dem Wege u. so scheusslich es klingt, aber ich reise möglichst hier ab, wenn sie kommt, denn dann ist es doch so, dass kein Tag vergeht, dass man sich nicht über sie ärgert. Schon das Verhalten Mama gegenüber u. dauernde abwägen unter uns Geschwistern, in einem Wort immer unzufrieden. Sie hat eine Wohnung in Hbg. gute 5 Min. von unserer auf der anderen Seite der Hochbahn. Ich kenne weder die Wohnung noch ihre Einrichtung, was ich weiss, habe ich durch Mamas Erzählungen. M. ist sehr geheimnissvoll mit allem, ich meine, was ihre Anschaffungen betreffen, möglichst soll nieimand von uns darüber orientiert sein. Wenn sie damit glücklich ist, kann man sie ja auch nur in Frieden lassen, aber wenn ich denke, als wir uns einrichteten, war es doch die grosste Freude, den anderen die Neuerwerbungen zu zeigen u. sich mit ihnen darüber zu freuen, wie es schliesslich jeder normale Mensch machen würde. So stösst man immer auf neue Rätsel bei ihr. Erzählen muss ich Dir eins, um ein kl. Bild von ihrer Undankbarkeit u. Einstellung zu geben, wenn ich mir auch fest vorgenommen habe, nicht den Kleinkram zu erwähnen. Mama läuft hier Tage lang im Haus umher, um Sachen, die sie vielleicht gebrauchen kann, mitzubrigen, wühlt auf dem Boden, sucht dies u. das, na wie das so ist. Unter anderem wird ein grosses Gemüsepaket mit den momentanen Erzeugnissen aus dem Garten gepackt u. Eingemachtes, lauter Sachen, die ich auch immer bekomme u. selig darüber bin. G. bringt ihr die Pakete hin, sie wühlt das Gemüsepaket durch u. fragt, warum da kein Spinat drin ist, wofür [wir] eigentlich einen Garten in N. hätten. Hast Du Worte? Das ist der Dank, dass Mama hier sich Tagelang überlegt, womit man ihr eine Freude machen könnte?
2 Kissen waren auch unter diesen Sachen, die M. G. gleich wieder ins Auto warf, mit den Worten, dass sie solchen Dreck nicht gebrauchen könne, ist das nicht zum ekeln? Und dann G. gegenüber, wenn dem wirklich so wäre, kann sie sich doch mit Mama darüber unterhalten, ferner ist es eine Kleinigkeit, 2 neue Bezüge darüber zu machen. Das sind so die Sachen, die einen so wurmen und ich es besser finde, sie haust für sich, damit man keine Gelegenheit hat, sich immer neu wieder zu ärgern. allen Leuten erzählt sie natürlich, sie hätte kein Geld und lebete vom Fussboden u. dergleichen mehr. Friedrich hat sich zuerst des öfteren bemüht, in nettester Weise ein Verständnis herbeizuführen, aer er hat es auch als hoffnungslos aufgegeben.
Was will die Frau nur machen ohne die Familie bzw. ohne die Geschwister, denn jetzt ist es doch Mama, die alles immer aufrecht erhält. Dauernd hat sie was mit ihrer Gesundheit, jetzt ist es ein entzündeter Kiefer, wer weiss was es übermorgen ist. Bio musste der Blinddarm herau[s]genommen werden u. hat 10 Tage in der Klinik gelegen. Der Junge tut mir immer leid, denn er ist wirklich niedlich u. gut, aber wie wenig frohe Stunden er bei den Verhältnissen zu Haus wohl hat. Manc[h]mal rollt er Stunden vor meiner Wohnung mit dem Roller, wenn ich ihn dann hinauf rufe, wagt er kaum hinauf zu kommen u. ist einsilbig u. verschüchtert mit seinen grossen dunklen Augen.
Die kl. Vera kenn ich zu wenig, hier konnte man sie nicht anfassen, weil sie dann nur brüllte, krank ist sie nicht oder selten, aber sie sieht masslos blass u. ungesund, fast alt aus. Man vermisst die Frische bei den Kindern. Oma hat mich des öfteren ins Gebet genommen und mich gebeten, ihr mehr entgegen zu kommen, äusserlich vor anderen tu ich es auch, aber was ist das alles, wir sollten uns besuchen u.s.w. Ein herzliches Verhältnis würde es nie u. Friedrich u. ich sind so glücklich miteinander, dass man so unerquickliche Gechichten gern von sich fern hält. Aber genug davon, haben tun wir alle nichts von diesen Erzählungen, denn ändern lässt sich damit nichts. Bewundern tu ich nur immer Mama, denn die Schläge von M. Seite nach Papas Tode waren wirklich hart genug, ich weiss nicht, ob andere Mütter diese rührende Geduld u. Nachsicht aufgebracht hätten u. dabei nur Undank geerntet.

6.7. Gestern hab ich die weniger schönen Sachen geschrieben, aber heute wird es besser. Allerdings muss ich Euch was sehr trauriges mitteilen, falls Ihr es nicht schon von Hertha gehört habt, an die ich gerade schrieb, als ich es erfuhr. Babs Schwester ist tödlich mit ihrem Auto verunglückt, als sie an die Bahn furh um ihren Mann abzuholen. Es ist ganz erschütternd, denn sie war och nicht lange wieder verheiratet, sehr glücklich und hatte ein Kind von ½ Jahren. Aus erster Ehe hatte sie 2 Kinder, von denen sie sich trennen musste, da von ihr die Schiedung ausging, um diesen 2. Mann v. B. in Berlin zu heiraten, der sich ebenfalls hatte scheiden lassen u. Kinder aus seiner ersten Ehe hatte. Sie soll ziemlich schnell gefahren sein, eine Kurve geschnitten haben, u. dadurch mit einem Lastwagen zusammengefahren. Ihr Auto ist die Böschung hinabgefallen u. hat sich mehrere Male überschlagen. So viel ich weiss, hat man noch versucht, sie zu operieren. Leider habe ich Babs noch immer nicht sehen können, wenn ich für 2-3 Tage in Hbg. war, haben wir uns immer verfehlt. Eben kommt mit der Post ein Brief von ihr aus Stocksee, worin sie auch schreibt, dass es hoffentlich bald mal glück[t], dass wir uns sehen. Im Winter waren wir häufig zusammen, denn sie hat ihr Schwesternexamen gemacht u. nahm anschliessend einen Turn- u. Massagekursus, um als Schiffsschwester zu fahren. Wie das nun alles wid, weiss ich nicht. Sie ist mir die liebste Freundin, ich bewundere sie restlos u. möchte ihr so sehr wünschen, dass sie glücklich heiratet. Ich bin sicher, dass sie es zu Haus oft nicht leicht hat, weil die Mutter auch so kränklich ist, aber sie spricht nie darüber. Im Winter machten wir dort ein grösseres ausserordentlich nettes Fest mit, hauptsächlich warne junge Ehepaare dort.
Sehr nett ist auch Hans-Herbert N. geworden (in Leipzig mochte ich ihn nicht so gern), er ist verheiratet mit Elisabeth G. hat die Juristerei an den Nagel gehengt u. ist Kauffmann in Wesermünde. Den Polterabend konnten wir nicht mitmachen, da wir gerade auf unserer kl. Tour waren, dafür aber sonst einige Feste, die vorher stiegen. Wir selbst haben auch 2 mal eine kl. Festlichkeit für junge Menschen gegeben, einmal war Helmut L. dabei, den wir beide sehr gern mögen, er sit allerdings ziemlich schüchtern, aber anscheinend ausserordentlich tüchtig in seinem Geschäft bei Th. Wille. Er lässt Dich auch grüssen, u. erkundigt sich immer nach Euch. Wulff J. schätzt Friedrich auch sehr, er ist ebenfalls verheiratet und wohnt in A. bei seiner Mutter im 1. Stock. Sie ist Mecklbg. Gutstochter, wir hatten sie auch mit seinen beiden Schwestern zu einer kl. Tanzerei bei uns. Wir hätten gern noch einige kl. Festlichkeiten gebeben, aber nachher ging es nicht mehr so gut wegen meines Rundbauchs u. ohne Tanzen ist das bei der Jugend ja nichts. Im Esszimmer können wir zu sehr vielen sitzen, aber man muss sich hüten, zu viele einzuladen, da es im Wohnzimmer leicht zu eng wird, weil der Flügel dort steht. Die erste Zeit kam ich oft garnicht zur Besinnung, weil sich jeder ansagte, die Wohnung zu sehen u. dann hatten wir oft nachmittags u. abends Besuch u. mit dem Kochen auf dem elektr. Herd musste ich mich erst zurecht finden. Bei grossen Sachen hatte ich natürlich 2 Hilfen, Frau B. hat auch einmal bei uns gekocht. Das allererste Mal, als die ganze Familie O. bei uns war, brannten die Sicherungen am Herd durch, einmal merkt man das nicht sofort, u. ferner war es nach 7 Uhr, sodass man nicht gleich einen Elektriker zur Hand hatte. Gegen 9 gab es dann schliesslich was zu essen, das erzählt man sich natürlich in R. überall. Dafür hat Muschi P. aber in ihrer Wohnung in Belrin Weihnachten Feuer mit ihrem Tannenbaum gemacht, so muss eben überall erstmal was passieren. – Otto S. wohnt uns schräg gegenüber u. hat sich sein Haus sehr reizend mit allen Schikanen eingerichtet, wir waren damals zur Einweihung dort, der auch Mutter u. Tochter beiwohnten. Neulich hat er allerdings ein Fest gegeben, was alles bisher dagewesene übersteigt. Kapellle [!] aus dem Atlantik, ebenso das ganze Essen, was so raffiniert war, dass man nicht wusste, was es war, gewöhnliche Sterblich[e] können sich das anscheinend nicht leisten. Bar u. Barmixer aus dem Atlantik, Du konntest jeden Drink haben, den Du wolltest u. irgnedeine Bühnengesellschaft hatte Keller und Garage in bayrische Stuben verwandelt. Wegen meines Rundbauchs waren wir leider garnicht erst geladen. Olga P. hat überhaupt die Liste gemacht, Otto kannte viele von seinen Gästen garnicht. Ach Rudu, wie wär es nett, wenn Ihr bald mal kommen könntet, was könnten wir für eine nette Zeit verleben und was gebe es zu klönen und man kann ja nicht dankbar und froh genug sein, dass man so glücklich ist und es so schön hat. Wer weiss, wenn Ihr nächstes Jahr wieder nicht kommen könnt, ob wir dann noch dort wohnen.
Elke M. hat geheiratet, wohnt in Ülzen u. heisst Frau B. Ebenso Edda K. nach Düsseldorf u. heisst v. B. Gesehen habe ich mich mit letzteren beiden selten. Über Renate weisst Du am beste nvon Hertha. Zu einer Zeitung so von Neuigkeiten eigne ich mich leider nicht besonders, andere können das sciherlich mit wunderbarem Humor u. etwas spitzer Zunge herrlich. Siehe Günter, der hat den richtigen Stil, Euch amüsante Sachen zu schreiben. Einmal war er bei uns, verschiedentlich klappte es nicht, auch durch den Tod seines Bruders damals plötzlich. Von Ulle sehe und höre ich nichts, er war lange (bis Mai) in Berlin, soll eine reizende Wohnung in Blankenese haben, aus einem gegenseitigen Besuch ist noch nichts geworden. Besonders schätze ich ja immer Klaus u. wenn er in Hbg. ist, ist er auch immer bei uns, aber unser Briefverkerht ist, seitdem ich verheiratet bin, leider eingeschlafen. Klaus wird sich immer durchsetzen u. seinen Weg machen, auch wenn er es noch so schwer hat u. viele Hindernisse zu überwinden. Sein Bruder ist in Japan, Friedrich u. auch Achim konnten ihm glaue ich etwas behilflich damals bei der Auslandsfrage sein. Henning hat ja einen ausgezeichneten Posten in Japan, Dank seiner Tüchtigkeit ist er absolut selbstständig. Humboldt-Deutz, Maschinen vertritt er. Er hat einen Sohn von ¾ Jahren, leider eine katholische Frau, worüber meine Schwiegermutter damals sehr unglücklich war. Spitze Zungen behaupten ja auch, dass Friedrich, seidem er verheiratet ist, nicht mehr zur Kirche geht, aber das ist mehr Scherz. Friedrich hat bei Simon, Evers & Co geradezu masslos viel zu tun u. kommt abends oft sehr erledigt nach Haus. Er macht mir oft Sorge, weil er so blass aussieht und das Kontor sitzen im Grunde nicht gut ab kann. Sie exportieren nach Ostasien, und sollte sich eines Tages etwas Günstiges in der Weise für ihn im Ausland bieten, besteht die Möglichkeit, dass wir dort hinziehen. Dann wären wir ja wenigstens nicht so weit voneinander entfernt wie jetzt. Friedrich wollte sich evtl. im Herbst freiwillig zum dienen melden (2 Monate) muss er, schon um ungehindert später ins Ausland zu können. – Peter B. ist inzwischen Vater von 2 Jungens u. hat ein reizendes kl. Haus in der Fontenay gemietet, wir besuchen uns häufig. Auch er ist jetzt beim dienen, hat sich 3 Tage frei genommen u. seien Assessor gemacht. Ganz viele Hamburger machen das so, ich meine mit dem dienen. Otto hat schon 3 oder 4 Kurse hinter sich.
Mutter S. beschäftigt sich schon sehr mit ihrer Reise hinüber, wir haben neulich die verschiedenen Schiffahrtsgelegenheiten erwogen. Man möchte ihr so sehr wünschen, dass nach all dem schweren, was sie durchgemacht hat und noch durchmacht, die Reise und der Aufenthalt bei Euch sich so schön wie irgend möglich für sie gestaltet. Drüben werdet Ihr ja dafür sorgen. Ich bewundere sie restlos, denn man merkt ihr nie etwas an, sie ist immer dieselbe liebenswürdige und herzensgute, dabei wird es ihr masslos scher, sich von dem reizenden kl. Haus zu trennen. Vieles ist so anders gekommen, als sie sich dachte, denn in den nächsten Tagen fährt sie doch zu Ingrid hinunter, um ihr beizustehen und zu helfen, eigentlich alles zu machen. Das werdet Ihr ja alles wissen, aber Ihr seht nicht, wie sie ist und dass man sie nur bewundern kann. – Hoffentlich findet sich hier auch eine Lösung mit Oma, sodass Mama frei ist und auch hinüber kann, denn sie möchte es sehr gern. Man müsste versuchen, Oma in Hbg. unterzubringen, was wohl möglich ist, da sie dann die Kinder von Maria hat, aber es wird nicht leicht sein, das Geeignete für sie zu finden. Hier könnte man dann das grosse Haus zu machen und das Hauspersonal entlassen, was ja auch eine Ersparnis bedeutet. Für W. wünscht man sich im stillen einen anderen, früher wude seine Laschheit durch Papas Kommen im Frühjahr aufgeputscht, aber jetzt? Es sieht hier alles wundershcön aus, was im Wald nötig ist, kann keiner von uns beurteilen, aber was er eigentlilch so am Tag macht, weiss ich auch nicht, denn alles, was die Buchungen anbetrifft macht D., die seit einigen Monaten ja bedeutend vereinfacht ist. Und wie wurde W. früher von Papa in Anspruch genommen? Ich bewundere oft, wie Mama gut im Revier Bescheid weiss, wenn so von Unterpflanzungen die Rede ist oder dergleichen, dabei ist sie garnicht so furchtbar viel draussen. Was hälst Du davoen, wenn man die Jagd verpachtet? Soll W. immer alles abschiessen? Es ist natürlich ganz was anderes, wenn Ihr hier seid. Man könnte dadurch doch sicher die ziemlich hohen Unkosten, die der ganze Betrieb mit sich bringt, etwas drücken. Aber ich will jetzt schliessen, ich wollte nur Ihr könntet jetzt mit auf der Terrasse sein und dies herrliche Wetter und die schöne Aussicht geniessen, es ist unglaublich schön. Ich hoffe, ich habe Euch so ziemlich das geschrieben, was Euch interessiert, mir schwant ganz schlimm, dann muss ich Euch noch für […] mir ist so als wäre dies überhaupt der erste Brief, seitdem ich verheiratet bin
[Brief bricht am Ende der Seite ab]


Die Schreibfehler habe ich übernommen. Interessant finde ich den Hinweis auf die Benzinkosten! Manche Dinge ändern sich eben nie.

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