Croissant, Carrefour, Carte Bleue: Blogparade Frankreich von Katja Flinzner

Katja hat den Frankreichmonat ausgerufen, da juckt es mich natürlich sofort in den Fingern.

Ich habe zweimal in Frankreich gewohnt: Mit 19 habe ich ein halbes Jahr lang einen Französischkurs in Straßburg besucht, am Ende meines Studiums (lassen wir das mit dem Alter, auch in einer jüngeren Version wäre ich viel älter gewesen als meine Mitstudierenden) verbrachte ich zwei Jahre in Caen, wo ich auch meinen Abschluss in Deutsch (mittelgut) und Skandinavistik (gar nicht schlecht) machte.

In Straßburg erlebte ich zahlreiche lustige Dinge, die aber weniger mit dem Land zu tun hatten, daher kann ich darüber wenig berichten. Interessant war, dass man mit der normalen Busfahrkarte im 7er-Bus nach Kehl rüberfahren konnte. Das war auch gut so, denn die BahnCard war in französischen Reisebüros (damals war es ja noch nicht so mit Internet) zwar bekannt, konnte aber auch nach mehreren STUNDEN des Probierens nicht erfolgreich auf eine Fahrkartenbuchung angewendet werden.

Aus Caen hingegen kann ich mehr erzählen. Los ging es an meinem Heimatbahnhof bei Hamburg, wo ich eine Fahrkarte erstehen wollte (mit Internet war es auch damals noch nicht so). Ich erklärte dem netten Menschen hinterm Tresen mein Anliegen, er sah etwas ratlos aus, tippte, und fragte dann schließlich, wie man den Ort schreibe. Ich sprach: „C-A-E-N“ und er stieß erleichtert hervor: „Ach, Cannes!“ Ich habe die Fahrkarte mehrfach geprüft, hatte aber bis zum Schluss leichte Sorge, wo ich ankommen würde.

Seinerzeit trug ich meine Haare kurz. Wenn ich in Caen zum Frisör ging, musste ich um jeden Millimeter feilschen, der mir abgeschnitten werden sollte. Es ging den (übrigens fast grundsätzlich elegant schwarzgekleideten) Frisörinnen einfach nicht in den Kopf, dass eine Frau sich freiwillig der Wirkung langer Haare berauben wollte.

Auf die häufig gestellte Frage nach meinem Familienstand antwortete ich stets wahrheitsgemäß, dass ich einen Freund in Deutschland habe. Die Reaktion: „Ach, dann bist du also Single.“

Wirklich interessant war es aber an der Uni. Hier könnte ich sehr ausschweifend werden, aber ich mag Frankreich wirklich. Breiten wir also über die Tücken der Bürokratie (die die deutsche leicht in den Schatten stellen kann) den Mantel des Schweigens.

Ich hatte mich für meine alten Fächer Deutsch, Englisch und Schwedisch eingeschrieben und suchte mir aus den ausgehängten Kursen diejenigen aus, die für mich interessant klangen. Zwei Tage später wurde ich angesprochen, warum ich bei Kurs X nicht anwesend gewesen sei – und erst da dämmerte es mir, dass die angeschlagenen Kurse sämtlichst von mir besucht werden sollten. So war schnell klar, dass die drei Fächer nicht parallel würden laufen können. Der Abschied von Englisch fiel mir nicht schwer, ich hatte schon um den Verlust meiner Englischkenntnisse gebangt, würde ich mich weiter dem schrecklichen Akzent der AnglistInnen aussetzen.

Nun saß ich also in deutschen und skandinavischen Veranstaltungen, jeweils größtenteils von Deutschen bzw. Skandinaviern unterrichtet. Die Deutschen hatten sich sehr gut an das französische System angepasst: Bei Verben wurde zuallererst die Gruppe genannt, zu der sie gehörten. Da ich die Nummern eher nicht verinnerlicht hatte, waren meine deutschen Grammatiknoten entsprechend. Themen wie Landeskunde oder Literatur wurden meist als Vorlesungen abgehandelt. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Vorn saß der oder die Lehrende und las vor. Wir schrieben auf. Also Diktat. Eine einzige Professorin zog den deutschen Stil vor, was die französischen Studentinnen vollkommen überforderte. Einer der wenigen Fälle, dass sie bei mir abschrieben.

In der Skandinavistik sah es etwas anders aus. Der Lehrkörper bestand aus zwei Franzosen und Dozentinnen aus allen skandinavischen Ländern. Der eine Franzose zeichnete sich durch eine gewisse Verplantheit aus, die sich auch in seinen wirren Locken widerspiegelte, der andere war der Chef, sehr schlau und sehr gefestigt in seinen Ansichten.

In meinem ersten Jahr in Caen hatten wir (drei) bei ihm altisländische Übersetzung. Ich hatte einige Jahre mit Altisländisch hinter mir, konnte die Texte problemlos verstehen – allein, es haperte an meinem Schriftfranzösisch. Der Unterricht sah ungefähr so aus – es ging um die Übersetzung von Ragnars saga lóðbrókar. Þóra bekommt einen Lindwurm geschenkt, den sie auf einem Schatz in ihrer Laube platziert. Natürlich fängt er dort sogleich an zu wachsen – und mit ihm das Gold unter ihm. Bald hat er keinen Platz mehr.

Wir sind an dieser Stelle:

Nú liggr hann utan um skemmuna, svá at saman tók höfuð ok sporðr, ok illr gerist hann viðreignar, ok þorir engi maðr at koma til skemmunnar fyrir þessum ormi nema sá einn, er honum færir fæðslu, ok oxa þarf hann í mál.

Prof: „Virginie, vous pouvez traduire ?“

Virginie: „…“

Prof: „Tatiana ?“

Taz: „Euh, ‚Maintenant …‘“

Prof: „Louise ?“

Ich: „Maintenant il est couché autour du pavillon, alors que la tête et la queue se touchent.“

Prof: „Oui, c’est pas faux.“

Es folgen einige Ausführungen über die französische Sprache und wie schön man mit ihr Dinge ausdrücken kann. Insbesondere, dass der Lindwurm um die Laube liegt, könne man schöner sagen.

Prof: „Je pense à un mot qui commence avec un l.“

Alle: „?“

Virginie: „Enrouler ?“

Prof: „Non. Lover.“

Um mich herum: Augenrollen.

Ich: „C’est quoi ?“

Prof: „C’est ce que fait un serpent.“

Hier ist die Übersetzung in ihrer von mir notierten endgültigen Fassung: Alors il est lové autour du pavillon si bien que la tête et la queue se touchaient et il était horrible d’avoir affaire à lui et personne n’osait approcher le pavillon à cause de ce serpent sauf celui qui lui apportait à manger, et il lui faillait un bœuf par repas.

Wie viel banaler klingt da doch die deutsche Übersetzung von Ulrike Strerath-Bolz: Nun liegt er außen um das Haus, so daß Kopf und Schwanzspitze aneinanderstießen, und er ist so bösartig, daß niemand es wagt, sich dem Haus zu nähern wegen dieses Wurmes, außer dem Mann, der ihm Futter bringt, und dafür braucht es jedesmal einen Ochsen.

Nun begab es sich, dass wir im zweiten Jahr bei einer Isländerin Altisländisch hatten, die naturgemäß mehr Gewicht auf das Textverständnis als die Poesie der Übersetzung legte. In einer mündlichen Abschlussprüfung sollten wir Verbformen im Text bestimmen. Das konnte ich und erreichte 20/20. Bekanntermaßen eine Note, die in Frankreich eher nicht vergeben wird. Die bereits gut assimilierte schwedische Dozentin* schlug dann auch umgehend Alarm. Die Isländerin argumentierte dagegen, dass es sich um eine Note wie in Mathe handelt – alles richtig lässt keinen Spielraum nach oben – und ich durfte meine Note behalten. Somit quasi meine erste 1 in Mathe, indirekt.

Uniklausurpapier

Uniklausurpapier

Uniklausurpapiernamensumknickecke

Uniklausurpapiernamensumknickecke

Klausuren wurden anonym auf Uni-eigenem Papier geschrieben. Oben rechts schrieb man seinen Namen auf, befeuchtete den Rand des Blattes und klebte die Ecke um, sodass der Name nicht mehr sichtbar war. Eine schöne Sache, als einzige Schwedischstudentin bzw. mit typisch deutschem Schriftbild behaftete eine von drei Studentinnen relativ überflüssig.

Bei meiner Abschlussarbeit stand ich plötzlich vor der Frage, in welcher Sprache sie zu verfassen sei. Die einfache Regel: Französische Studierende schreiben auf Französisch oder „ihrer“ skandinavischen Sprache (was natürlich niemand freiwillig macht), skandinavische Studierende schreiben auf Französisch. Da ich nach Professorenmeinung eher als skandinavische Studentin einzuordnen war, wollte er mir Französisch aufzwängen. Ich hielt das für Quatsch, weil a) alle meine Quellen aufgrund des Themas auf Schwedisch oder Deutsch waren und (vor allem) b) weil ich den von ihm erwarteten gehobenen Stil niemals erreicht hätte. (Ich denke an ein Wort mit i – inacceptable.) Ich versprach, zur Verteidigung der Arbeit einen Kuchen mitzubringen und durfte auf Schwedisch schreiben.

Am Tag der Prüfung kaufte ich eine große Schokoladentorte auf dem Weg zu Uni. Bei meiner Verteidigung sollten der französische Professor, der wirrhaarige französische Dozent und die schwedische Dozentin anwesend sein. Leider kam der Krauskopf nicht und so überließ ich den beiden allein die Torte. Wenige Stunden später erfuhr ich, dass sie sie allein aufgegessen hatten, ohne irgendeinem Mitglied der Fakultät auch nur einen Krümel abzugeben. Das erstaunte mich sowohl menschlich als auch körperlich über alle Maßen.

Abschließend könnte ich mich noch über meine Liebe zu Paris auslassen, meiner absoluten Lieblingsstadt, dem Geruch in der Metro, den Bauten, den Restaurants … aber das wird dann wieder so sentimental. Im Übrigen kommen die größten mir bekannten Metalfreaks aus Frankreich.

*Im Jahr zuvor war sie noch die Schwedischdozentin gewesen. Dann hatte sie erfolgreich an der Sorbonne promoviert und war fortan die schwedische Dozentin, die auch Landeskundethemen unterrichten durfte. Für den Schwedischunterricht bekamen wir eine neue Schwedin, die bedeutend entspannter war.

6 Kommentare
  1. Katja Flinzner sagte:

    Vielen lieben Dank für diesen tollen – und ersten! :-) – Beitrag zu meiner Blogparade „Frankreich“!

    Ja, Bahnfahrten waren immer ein Abenteuer! Ich hatte ein ähnliches Erlebnis in Lyon, wo wir zu zweit verzweifelt versucht haben, dem Schalterbeamten klarzumachen, dass wir nach Bonn wollten. Er hat uns angeschaut, als wollten wir auf den Mars fliegen. Es war schlicht und ergreifend nicht möglich, ihm ein Ticket nach Bonn abzukaufen, so dass wir dann schließlich eine Fahrkarte in die Weltstadt Cologne gelöst haben.. :-).

    • Gesa sagte:

      Er wollte Euch doch nur einen Gefallen tun. Bonn! Also ehrlich. Da kommt man von Köln doch auch mit Öffis hin. Wenn man denn unbedingt will.

Kommentare sind deaktiviert.