Stimmen in meinem Kopf
Ich war gestern im Theater. Mit Falk, den kenne ich kaum, aber er hat schon über gestern geschrieben.
Es gab „Die Verweigerung“ von Ligna, „Mitmachtheater“ sagte Falk, aber es war viel mehr als das, wir waren ja selbst das Theater. Jeder bekam ein paar Kopfhörer und dann ging es los, dies ist das Szenario, sagte die Stimme, das und das passiert, du reagierst so und so. Ich tue, was man mir sagt, es wird ein wenig gekichert. Wir beschimpfen die faulen Studenten, doch Moment mal, ich dachte erst, das wären jetzt die echten Schauspieler, die quasi gegen uns anspielen, aber das sind ja auch welche von „uns“.
Bis zur Pause geht es mehr um die Geschichte, die unsichere Stimmung wird hervorragend eingefangen, was denkt mein Gegenüber, kann ich ihm trauen? Es fällt mir leicht, mich auf das Spiel einzulassen, ich führe nur aus und es funktioniert. Ich bin wahrlich beeindruckt, wie gut es funktioniert, also rein technisch und mit dem Timing, denn nun ist ganz deutlich, dass andere zur gleichen Zeit etwas anderes tun als ich.
Nach der Pause folgt das „Pädagogium der Verweigerung“. Die Anweisungen werden bizarrer, einzelne Personen fangen an zu schreien oder zu rennen, ich bin die einzige in meiner Gruppe (Ich bin keine Gruppe!) und verwirrt. Ich soll durch die Gegend krabbeln wie ein Hund. Nein, das kann ich unmöglich tun, alles in mir widersetzt sich. Ich gebe meinem Willen nach, schließlich geht es hier auch um Verweigerung, da können die doch nicht damit rechnen, dass man jeden Mist mitmacht. Dann soll ich raus in den Regen, da dieses und jenes machen, aber das sieht doch keiner, mache ich das nun wirklich? Naja, vielleicht ein bisschen.
Die Stimmen in meinem Kopf streiten sich, da ist die aus dem Kopfhörer, aber da ist auch meine eigene, die immer lauter abwägt, nein, ich knie mich nicht hin, nein, ich küsse den Boden nicht, nein, nein, die haben sie doch nicht alle, wer bin ich denn?
Ich ziehe mich immer mehr zurück und werde zur Beobachterin, machen alle anderen das, was ihnen gesagt wird? Unmöglich herauszufinden. Irgendwann wird wohl jeder aufgefordert, den Boden zu küssen, oder nicht? Die anderen wissen nicht, dass ich mich verweigere, meine Anweisungen könnten andere sein.
Reihenweise sehe ich Menschen den Boden küssen und bekomme ein ungutes Gefühl dabei. Liegt das an den anderen, die die Anweisungen einfach ausführen oder liegt es an mir? Ich höre immer wieder, dass ich selber entscheiden soll, eröffnet mir das einen Freiraum, den ich mir sonst nicht erschlossen hätte? Wird das den anderen etwa nicht gesagt?
Bin ich denn so eine Verweigerin?
Aber dann. Am Ende müssen wir eine Leiche durch die Gegend tragen, das kann ich eigentlich gar nicht, ich kann keine schweren Dinge hochheben und es tut weh und die anderen würden es auch ohne mich schaffen. Aber ich mache mit. Wie blöd ist das denn?
Wer über sich selbst nachdenken möchte, sollte in „Die Verweigerung“ gehen. Ich bin voller Bewunderung für dieses unglaublich schlau gemachte Stück.