Ein Klingel-Drehtür-Vergleich
Letzten Freitagabend stand mein Mann in Hamburg auf der Bühne. Die norwegische Band Satyricon hatte alle Fans, die ein mehr oder weniger metal-abwegiges Instrument spielen, aufgefordert, mit ihnen zu jammen. Andi hatte sich damit beworben:
und durfte prompt mitmachen. Allerdings sollte er ordentlich „mellow“ spielen. Das sah dann so aus:
Nach der Show war … nach der Show. Backstage machten die einen Yoga, die anderen packten und bereiteten sich auf einen Besuch im Burlesktheater auf der Reeperbahn vor. Ein Crewmitglied behauptete, freien Eintritt organisiert zu haben. „That would be the first time it was true“, sagten andere dazu.
Am Ende zogen wir mit demjenigen los, der uns erst mit übriggebliebenen Postern/Toilettenschildern/signierter Setlist versorgte und dann sinngemäß äußerte: „I try to sleep as much as possible on tour. I will go to bed now. It would be great to go to a winebar.“
Kurz danach standen wir vor einer geschlossenen Tür, an der man klingeln musste. Um uns herum tummelte sich eine Gruppe, äh, nennen wir sie „junge Erwachsene“, teilweise mit, teilweise ohne Sakko. Sie diskutierten darüber, an wessen Klamotten es liege, dass sie nicht reinkämen und ob Sakko wohl Pflicht sei. Unser Bandmitglied hatte tatsächlich ein Jacket an, das unter Mähne und Bart beziehungsweise über den verratzten Klamotten nicht weiter negativ auffiel. Wir Groupies (Mann, Bruder, ich) waren konzertmäßig mittelschick mit Tendenz nach unten angezogen. Als sich die Tür öffnete, sprach der Norweger: „We are musicians and we would like to drink something.“
Wir durften uns also an dem Türsteher mit dem zu kurzen und zu engen Anzug vorbeiquetschen und landeten in einem mit großgemusterten, dunklen Tapeten ausgestatteten Wohnzimmer voller sorgfältig in teuren H&M-Varianten gekleideten Business-School-Studentinnen, die sich auf den diversen in die Sofas versunkenen Schößen ihrer Kommilitonen räkelten. Auf den Tischen standen ihres Sockels beraubte, mit Eis und Champagnerflaschen gefüllte Taufbecken. Unser liebstes Bandmitglied war hingerissen und lud zu einer Flasche Champagner ein, während wir uns zu viert auf die zwei noch unbeschoßten Sessel drängten.
Da die weibliche Bedienung mit einer grauen, von Hosenträgern gehaltenen Jogginghose bekleidet war und damit vor der Kulisse keineswegs auffiel, keimte in mir der Gedanke, dass zu kurze und zu enge Anzüge wohl hip sind.
Der Norweger war hingerissen von dem Etablissement, der Fahrer hatte nämlich noch gesagt, dies sei die beste Bar Deutschlands.
Ich weiß ja nicht. Mir macht Bar anders mehr Spaß. Das nächste Mal gehen wir ins Fährhaus an die Kaminbar. Da wird man auch reingelassen, wenn man eine Jogginghose ohne Hosenträger anhat. Oder einen gut sitzenden Anzug. Oder gar normale Klamotten. Weil die Location eine gut gehende Drehtür hat und keine Klingel.